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50% der registrierten Corona-Todesfälle im Frühling betrafen Alters- und Pflegeheime

Exklusiv vorliegende Zahlen und Antworten zeigen erstmals, wie stark Bewohner in Alters- und Pflegeheimen von der Pandemie betroffen waren. Aber auch die Wirksamkeit der Impfstoffe wird in den Zahlen sichtbar.

Erstmals liegen mir monatliche Daten über Corona-Fälle und Corona-Todesfälle in Alten- und Pflegeheimen vor. Von April 2020 bis April 2022 gab es 46.000 Corona-Fälle in Alten- und Pflegeheimen. Diese kommen auf Österreichweit etwa 100.000 Bewohner von Alten- und Pflegeheimen (Stichtagszahlen). Corona-Kontakte von Alten- und Pflegeheimbewohner·innen konnten also nicht nachhaltig verhindert werden. Etwa 5.300 Alten- und Pflegeheimbewohner·innen wurden auch als Corona-Todesfälle vermerkt – mehr als jeder zehnte Fall endete also tödlich. Und: zwischen Jänner und April dieses Jahres waren die Corona-Todesfälle in Heimen nicht rückläufig – sie stiegen an.

In der ersten Welle bis Ende Sommer 2020 wurden 300 Corona-Todesfälle in Alten- und Pflegeheimen gemeldet. In der zweiten Welle von Oktober bis Mai 2021 waren es über 3.500 – die Vorbereitungen im Sommer waren offenbar unzureichend.

Ein Vergleich mit den Todesfall-Zahlen der Gesamtbevölkerung der AGES zeigt: teilweise waren etwa die Hälfte der gemeldeten Todesfälle Bewohner von Alten- und Pflegeheimen. Dies betraf sowohl die erste Welle, die Winterwelle 2020 und die Omikron-Welle letztes Frühjahr.

Wäre ein besserer Schutz möglich?

Kann man mittlerweile ohne Lockdowns Erkrankungen und Todesfälle in Pflegeheimen verhindern? Komplexitätsforscher Peter Klimek vom Complexity Science Hub Wien sieht Möglichkeiten in einem Schweizer-Käse-Modell: einerseits durch Impfungen und die Anwendung von Therapien wie neuen Covid-Medikamenten, wenn möglich. Auch bauliche Maßnahmen seien ein möglicher Teil der Lösung – damit meint Klimek in erster Linie Lüftung. „Diese Kombination von Maßnahmen wird neue Wellen nicht verhindern, aber möglicherweise auf ein Niveau verringern, dass zumindest keine Übersterblichkeit erreicht wird“.

Die reinen Fallzahlen aus dem Herbst 2020 blieben bis zur Omikron-Welle unerreicht. Die breite Verfügbarkeit von Impfungen, die Großteils auch früh in Pflegeheimen verfügbar waren, dämpften die Zahl der Infektionen bis zur dahin effektiv.

Was wurde für den besseren Schutz getan?

Schon früh betonte die Politik, dass der Schutz der Älteren Priorität habe. Am 11. März 2020 zitierte die Presse Gesundheitsminister Anschober: Großeltern sollten vor Ansteckungen durch Kinder geschützt werden. Nur: besonders im Fall von Pflegeheimen ist nicht ganz klar, was der Gesundheitsminister in den ersten Monaten unternahm. Natürlich gab es die Kontaktbeschränkungen der ersten Welle, die auch in Alten- und Pflegeheimen galten. Aber ein Minister hat Werkzeuge wie Weisungen und Erlässe und kann auch Handlungsempfehlungen herausgeben. Was davon wurde also unternommen? Die Antwort aus dem Ministerium ist ernüchternd: abseits der Gesetze, die Besuchsbeschränkungen vorsahen, gab es im ersten Halbjahr der Pandemie nichts derartiges: „Zum Zeitpunkt Ihrer Anfrage (12.11.2020) bestehende Weisungen, Erlässe oder Handlungsempfehlungen konnten nicht gefunden werden.“ Auch im ruhigen Sommer 2020 wurden offenbar keine Notfallpläne erarbeitet.

Auch wie die Gesundheitsbehörden mit Fällen in Heimen und anderen Anstaltshaushalten umgehen hätte zentral geregelt werden können – etwa ob Bewohner je nach Covid-Status in unterschiedliche Stockwerke aufgeteilt werden sollten, oder wie die Quarantäne gehandhabt werden soll. Aber: „Weisungen, Erlässe oder schriftliche Handlungsanweisungen, die sich explizit mit dem Handling von Fällen [in Pflegeheimen, Altenheimen oder ähnlichen Haushalten] auseinandersetzen, konnten nicht gefunden werden.“

Diese Daten wurden im Mai übermittelt, die Aufarbeitung konnte aber erst jetzt abgeschlossen werden. Sie wurden eineinhalb Jahre nach meiner Anfrage „Schutz von Pflegeheimen: Weisungen, Taskforce-Diskussionen und Daten“ übermittelt, nachdem der ablehnende Bescheid des BMSGPK vom Bundesverwaltungsgericht zurückgewiesen wurde. Aktuellere Daten liegen mir nicht vor.

18.10.2022